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von Josefine von Boetticher 07 März, 2023
Schon im ersten Lebensmonat schaffen es die meisten Babys ihren Kopf in Bauchlage mehrere Sekunden wiederholt zu heben und von einer auf die andere Seite zu drehen. Ab dem 2. Lebensmonat erarbeiten sie sich Schritt für Schritt den Unterarm-Stütz. Das ist eine ergonomische Haltung bei der sie sich symmetrisch auf beide Unterarme stützen, indem sich die Ellenbogen unter den Schultern befinden. Dadurch können sie ihren Kopf bis zu 90 Grad heben und einige Minuten halten. Im Unterarmstütz liegt das Becken auf dem Boden auf, um Stabilität für die Rumpfaufrichtung zu geben. Das ist ein Fortschritt, da sie zu Beginn durch den Kriechreflex eher die Beine angezogen und den Po gehoben haben. Da sie nicht gleichzeitig den Po und den Kopf heben können, ist das aufliegende Becken eine Voraussetzung für den stabilen Unterarmstütz. Ihr könnt den Kleinen helfen diese Position zu finden, indem ihr ihnen beide Ellenbogen unter die Schultern setzt und in dieser Position haltet. Wartet ab, ob sich der Kopf hebt und das Becken ablegt. Die Kleinen müssen dazu den Rücken strecken und Gewicht auf die Unterarme abgeben. Ihr könnt das auch unterstützen, indem ihr mehrmals von Schultern bis zum Po über den Rücken streicht und eure Hand auf dem Po liegenlasst, um das Becken zu stabilisieren. Schaut mal, was ihnen eher hilft: Ellenbogen halten?, Rücken streichen?, beides im Wechsel? Im symmetrischen Unterarmstütz können die Kleinen neue Entdeckungen machen. Diese Perspektive ist eine tolle Ausgangslage für neue Beobachtungen. Sie lernen die Kopfkontrolle in Bauchlage zu perfektionieren und können bald den Blick in alle Richtungen wenden, z.B. zu einem Geräusch im Raum hin. Ihr könnt ihnen auch einen Gegenstand von links nach rechts rollen und umgekehrt. Denkt daran, dass sie euch durch die Drehung in Bauchlage erst einmal aus dem Blick verlieren. Vielleicht könnt ihr euch zum Spielen vor das Kind setzen oder legen, damit Bauchlage nicht Kontaktabbruch bedeutet. Der Unterarmstütz ist dann stabil, wenn die Kinder beide Arme gleichermaßen mit Gewicht belasten. Das bedeutet, dass sie die Hände kaum zum Spielen einsetzen können. Deshalb wird der Unterarmstütz später weiterentwickelt, indem die Kleinen lernen sich asymmetrisch stärker mit einem Arm abzustützen, sodass der andere Arm frei wird zum Spielen. Als Ausgangslage ist der symmetrische Unterarmstütz aber eine ganz wichtige Errungenschaft! Damit die Kleinen in Bauchlage auch mal mit dem Greifen Erfahrung machen, könnt ihr zur Motivation eine unterstützte Bauchlage anbieten. Dazu legt ihr das Kind in Bauchlage mit der Brust auf eine Decken-/Handtuchrolle oder euren Unterarm. Die Arme des Babys sollten vor der Erhöhung bleiben. So unterstützt ihr die Aufrichtung von Schultern und Kopf, aber die Arme tragen weniger Gewicht und bleiben beweglich. Jetzt könnt ihr ein Spielzeug anbieten und beobachten, ob das Kind die Fingerchen zum Greifen einsetzt, oder vielleicht sogar die ganze Hand bewegt. Ich finde es ein besonders schönes Spiel, das Kind auf den eigenen Unterarm zu legen. Legt euch dazu neben euer Baby auf die Seite und schiebt euren Arm unter die Brust des Babys. Dann legt euren Kopf gemütlich auf einem Kissen ab. So habt ihr die Möglichkeit mit eurem Baby im Kontakt zu sein und zu spielen. Ihr könnt auch den Rücken streichen und Po stützen. Bitte wechselt unterstützte und freie Bauchlage immer wieder ab, damit sich das Kind nicht zu sehr an die Unterstützung gewöhnt. Wenn ihr das Gefühl habt, dass sich die Kleinen in Bauchlage noch gar nicht wohlfühlen und schnell quengeln, ist es wichtig, sie allmählich daran zu gewöhnen. Versucht zunächst sie auf euren halbliegenden Oberkörper zu legen. Das unterstützt das Wohlbefinden und sie fühlen sich sicher. Sie können in dieser Position auch den Kopf auf eure Brust ablegen. Schaut mal, ob ihr über eine Woche Fortschritte beobachten könnt. Es kann auch vorkommen, dass sich Kinder die Bauchlage nicht gut erarbeiten können, weil Blockaden oder Spannungen aus der Schwangerschaft oder von der Geburt sie daran hindern. Wenn ihr den Verdacht habt, wendet euch an den Kinderarzt. Vielleicht kann eine osteopathische oder physiotherapeutische Behandlung helfen. Auch „schiefe“ Positionen in Bauchlage können ein Hinweis darauf sein, dass es noch Einschränkungen gibt. Ich lege immer sehr viel Wert darauf, dass sich jedes Kind irgendwann in Bauchlage wohlfühlt, weil das die Ausgansposition für jede grobmotorische Entwicklung darstellt. Robben, 4-Füßlerstand, Krabbeln, Sitzen, alles muss auf der Bauchlage erarbeitet werden.
von Josefine von Boetticher 05 Jan., 2023
Eigentlich doch ein schöner Begriff – dachte ich als ich ihn im Psychologiestudium das erste Mal hörte. Und eigentlich doch auch eine schöne Vorstellung, dass Menschen in der frühen Kindheit ein Gefühl dafür entwickeln, wem sie trauen können. Das soll die Grundlage für Selbstvertrauen, Vertrauen in andere und das Leben als solches bilden. Schon im Studium wurde dieses Konzept hauptsächlich daraufhin betrachtet, wie sich ein Mangel auswirken kann. Die meisten Eltern kennen den Begriff Urvertrauen, empfinden ihn aber oft als angsteinflößend. Ich werde immer wieder von verunsicherten Eltern angesprochen, die sich sorgen, dass das Urvertrauen ihres Kindes Schaden nehmen könnte. Die Sorge allein zeugt für mich schon von hoher Fürsorge und Aufmerksamkeit dem Nachwuchs gegenüber. Die Familien mit denen ich arbeite haben nur in Ausnahmefällen ein nennenswertes Risiko, die Ausbildung des Urvertrauens ihres Kindes zu gefährden. Tatsächlich wurde dieses Konzept im Bezug auf Extrembedingungen für frühkindliche Entwicklung geprägt und untersucht. In einer Zeit, als noch zu wenig Wissen und Bewusstsein dazu vorlag, mit welchen Auswirkungen auf die psychische Gesundheit bis ins Erwachsenenalter z.B. Heimaufenthalte verbunden sind. Kinder, die keine sichere, zuverlässige Bindung zu Bezugspersonen aufbauen können, weil sie nicht in familiären Strukturen aufwachsen, einschneidende Kontaktabbrüche erleben z.B. durch lange unbegleitete Klinikaufenthalte oder durch psychische Erkrankungen der Eltern, haben möglicherweise ein höheres Risiko für Störungen des Urvertrauens und dadurch für spätere Bindungs- und Beziehungsprobleme. Zu Beginn der Forschung haben führende Wissenschaftler verschiedene Begriffe geprägt für Konzepte, die der heutigen Bedeutung des Urvertrauens ähnlich sind. Es handelt sich dabei, um modellhafte Veranschaulichungen, die uns die Wirklichkeit verständlicher machen sollen. Die Gültigkeit des Konzeptes kann weder eindeutig wiederlegt noch bewiesen werden. Aber heute stimmen Entwicklungspsychologen darin überein, dass in den ersten Lebensjahren die Weichen dafür gestellt werden, ob wir Mitmenschen und der Welt eher vertrauen oder nicht. Ich habe allerdings manchmal das Gefühl, dass der Begriff Urvertrauen unvorsichtig und zum Teil unsachgemäß verwendet wird. Ein Vater erzählte mir neulich, dass seine Mutter diesen häufiger benutzt, um ihn vor möglichen Schäden an seinen Kindern zu warnen. Wohlmeinende Ermahnungen von Verwandten, Fachleuten, und in den Medien führen bei vielen Eltern aber zu großer Verunsicherung: dürfen sie Grenzen setzen, auch gegen Protest der Kleinsten konsequent bleiben? Besonders beim Thema Schlaf ist die Angst vor Schädigung des Urvertrauens allgegenwärtiger Begleiter, was Eltern in eine Pattsituation drängt. Sie sind mit ihren Kräften am Ende und alle Reserven aufgebraucht, trauen sich aber nicht irgendetwas zu unternehmen, um nächtliches Dauerstillen, -tragen oder häufiges Aufwachen zu verändern. Eltern sind in großer Sorgen, dieses kostbare, empfindliche Wesen, das ihnen anvertraut wurde zu verletzen. Ich nehme bei den allerallermeisten Familien, mit denen ich arbeite so viel Engagement, Selbstreflektion und Aufopferungsbereitschaft wahr. Das Wohl der Kinder nimmt ganz klar die oberste Priorität ein. Ich frage mich, ob es diese große Hingabe an den Nachwuchs schon früher gegeben hat. Möglicherweise erklimmt die aktuelle Generation Eltern in dieser Hinsicht den ersten Platz! Die besten Eltern sind die, die Spaß daran haben! Dafür ist eine Balance zwischen den Bedürfnissen des Kindes und den eigenen wichtig – und auch erlaubt! Ich wünsche Eltern ein stärkeres Vertrauen in sich selbst, die Dinge gut zu machen. (Ur-)Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten zur Elternschaft! Das tut auch den Kindern gut! Eltern die authentisch, mit Selbstvertrauen, Stärke und Freude eine Bindung zu ihren Kindern eingehen, bauen stabile Grundmauern für das Urvertrauen ihrer Kinder.
von Josefine von Boetticher 21 Dez., 2022
Viele Eltern sehnen das Sitzen herbei. Besonders, weil es die Essensituation entspannt. Heute geht man davon aus, dass Kinder das Sitzen am sichersten Lernen, wenn sie es selbst entdecken, also möglichst ohne Eingreifen, bzw. Hilfe. Wie lernen sie das Sitzen allein? Kinder kommen mit der Motivation auf die Welt sich irgendwie aufzurichten. Sie spüren das Bestreben, sich immer weiter vom Boden weg zu stützen. Aber wie sie nun genau höher kommen, wissen sie nicht. Sie haben keinen Ablaufplan und auch kein Konzept zum Sitzen. Sie müssen jeden einzelnen Schritt entwickeln und entdecken, durch Versuch und Irrtum und durch Übung. Die allermeisten Kinder lernen das Sitzen aus dem 4-Füßlerstand. Sie schieben sich zurück in den abgestützten Versensitz oder setzen sich seitlich ab, indem sie den Po über einen Fuß schieben. Das wird hunderte Male wiederholt, bevor sich die Kinder ein bisschen höher schieben. Und genau dieses systematische Wiederholen vernetzt die Muskulatur, sodass Beckenboden, Bauch- und Rückenmuskeln ein harmonisches Zusammenspiel lernen. Das ist die Voraussetzung für eine geschützte, stabile Wirbelsäule, um den großen, schweren Kopf zu halten. Erst allmählich schieben sich die Kinder in eine immer stärker aufrechte Position. Sie spüren, wann sie die Stabilität erreichen, zunächst eine Hand kurz zu lösen und später alle beide. Erst dann sitzt das Kind frei. Zunächst vielleicht noch im freien Versensitz. Das ist eine recht stabile Position, die schnelles Weiterkrabbeln ermöglicht. Auch wenn im Versensitz ein höherer Druck auf die Hüften entsteht, ist die Position für die Kleinen erst mal unbedenklich, solange sie sie selbst einnehmen. Ihr werdet beobachten, dass sie zunehmend ein Bein vornehmen und später auch das andere, bis eine echte Sitzposition erreicht ist. Beim Sitzen auf dem Boden nutzen die Kinder Knie, Füße, Becken, Beine zur Stabilisierung und Aufrichtung. Das Sitzen im Hochstuhl wird nur durch Auflage von Becken und Oberschenkeln aufgebaut wird. Es kann also am Anfang noch ein wenig wackeliger sein. Wartet dann ruhig noch ein bis zwei Wochen ab, bis ihr die Kinder im Hochstuhl allein sitzen lasst. Durch das allmähliche Erarbeiten des Sitzens lernen die Kinder die Umkehrung gleich mit. Sie lernen sich aus dem Sitzen selbst zu befreien, indem sie sich wieder in die Bauchlage oder den 4-Füßlerstand bringen. Einige Kinder schieben sich aus der Bauchlage ins Sitzen. Da sind verschiedene kreative Varianten denkbar: Ich habe Kinder beobachtet, die sich im Spagat hochgestützt haben, also die Beine außen über die Seite nach vorn führen. Etwas weniger spektakulär, aber auch sehr anstrengend ist das Stützen in den Versensitz aus der Bauchlage. Auch über die Seitlage kann man ins Sitzen gelangen. Sehr wenige Kinder wählen diesen kräftezehrenden Weg. Die Ausgangsposition ist hierbei der Gartenzwerg, aus dem sich das Kind auf dem unteren Arm immer höher stützt. Für alle Wege ist es eine Grundvoraussetzung, dass sich die Kinder in Bauch-, oder zumindest in Seitlage wohlfühlen. Aus der Rückenlage können die Kinder nicht ins Sitzen kommen bis sie mindestens 2,5 bis 3 Jahre alt sind. Um den verhältnismäßig schweren Kopf zu heben, sind einfach die Beine zu kurz, um einen Ausgleich zu bieten. Aus diesem Grund spiele ich in nicht gern das Spiel, die Kinder aus der Rückenlage an den Händen in den Sitz ziehen zu lassen. Da die Kinder keinen Plan über den Ablauf zum Sitzenlernen haben, können sie nicht wissen, dass diese Bemühungen eine Sackgasse darstellen. Ich möchte sie nicht verwirren. Ein wichtiger weiterer Faktor beim Sitzenlernen ist die Motivation: Kinder lieben es zu sitzen! Wenn sie von anderen häufiger in diese Position gebracht werden, setzten sie schnell durch, wieder aufgerichtet zu werden. Sie lassen sich immer schlechter ablegen und verwenden dann immer weniger Zeit auf eigene Versuche. Kinder können lernen die Sitzposition zu halten, wenn sie immer wieder hingesetzt werden. Sie sitzen aber tatsächlich anders als Kinder, die es selbst erarbeitet haben. Sie verwenden andere Muskeln. Sie sitzen mit sehr steifen, gestreckten Beinen da. Sie können sich nicht selbst aus der Position befreien und verharren oft sehr lange in dieser Lage. Die Vernetzung von Beckenboden, Bauch- und Rückenmuskulatur ist nicht eingespielt. Die Kinder nutzen die Hüftbeuger, um das Becken über den gesteckten Beinen aufrecht zu halten. Die Wirbelsäule wird dabei nicht gestützt. Im ungünstigsten Fall kann das zu Verformungen der noch biegsamen Wirbelsäule im Lendenbereich führen, bei denen statt einer Lordose ein „Knick“ nach außen entsteht. Wann sitzen Kinder? Das ist sehr unterschiedlich und nicht vorauszusagen. Die Spannbreite reicht von 6 bis 13 Monaten. Das Sitzenlernen ist von vielen Faktoren abhängig. Zunächst können Blockaden, Verspannungen noch von der Schwangerschaft die Bauchlage als Ausgangsposition unbequem machen. Als Grundvoraussetzung für jede grobmotorische Entwicklung ist es sehr wichtig, dass sich die Kinder in der Bauchlage wohlfühlen. Aber auch das Temperament der Kinder spielt eine große Rolle. Entspannte Kinder lassen sich meist mehr Zeit beim Hochstützen, als Kinder, die sehr aktiv sind. Wann in der grobmotorischen Reihenfolge das Sitzen gelernt wird, hängt auch sehr von den Interessen des Kindes ab. Kinder, die sich stärker fürs Vorwärtskommen interessieren, werden mehr Energie da hinein stecken und an das Sitzen noch gar nicht denken. Kinder, die ein ausgeprägtes feinmotorisches Interesse haben, merken schneller, dass sich in dieser Position hervorragend mit beiden Händen spielen und untersuchen lässt. Es ist auch nicht bedenklich, wenn Kinder erst krabbeln, stehen und erst lange danach das Sitzen lernen. Vielleicht wollen sie erst alle Möglichkeiten erkunden, die sich ihnen dadurch öffnen. Wenn sich das erste Feuer ein wenig gelegt hat, wird auch das Sitzen spannender. Es ist schön, wenn ihr das Kind seinen eigenen Weg entdecken lasst. Beobachtet seine Vorlieben!
von Josefine von Boetticher 27 Okt., 2022
Kinder haben ihre eigenen Ideen – und zwar schon erstaunlich früh. Und sie sind bereit dafür einzutreten und diese zu verteidigen! Das ist ja eigentlich etwas Gutes, oder? Nur wenn die Ideen des Kindes, nicht zu euren passen, kommt es zum Konflikt. Ich würde euch empfehlen, da anzusetzen: findet heraus, ob sich der Konflikt lohnt. Ihr legt fest, wie wichtig euch eure Ideen und Vorstellungen sind! Denn die Kinder wissen das sowieso schon, von der Seite ist jetzt kein Einlenken zu erwarten. Also, seid ihr am Zug! Um zu ermitteln, wie ernst ich es meine, verwende ich gern das Ampel-Schema. Auch in meinen Kursen erkläre ich das gern: grün=freie Fahrt, rot=auf keinen Fall und gelb=Verhandlung. Wenn das Baby beim ersten Krabbelausflug Richtung Badezimmer die Klobürste ansteuert, ordnen das wohl alle Eltern als eindeutig rot ein! Wenn ein Eineinhalbjähriges mit seinen flinken Beinchen auf die Straße läuft, statt weiter den Gehweg zu erkunden, ist das schon nicht mehr für alle rot. Sollte es meiner Meinung nach zwar sein, ich habe aber schon Eltern beobachtet, die lachend hinterherlaufen und die Situation in ein Fangespiel umwandeln. Bei einem roten Ereignis, sollten die Kinder immer mit den gleichen Konsequenzen rechnen. Denn Kinder können nicht nachvollziehen, anhand welcher Faktoren wir unsere Entscheidung gerade getroffen haben. „Es kam ja gerade kein Auto“, sollte da keine Rolle spielen. Alles, was mit potentieller Gefahr verbunden ist, sollte zu einem eindeutigen „nein“ führen. Wenn da unterschiedliche Antworten zu erwarten sind, wirkt das besonders spannend. Wie ist es denn jetzt, oder gleich, oder morgen? Das können Kinder unendlich ausdauernd erforschen. Entscheidet also die wirklich gefährlichen Situationen als rot einzuordnen: Straßenverkehr, Steckdosen (sind nicht überall gesichert), Zimmerpflanzen, Kaffee, Altglas… Aber auch beim Stillen in die Brust beißen, oder alles, was die Grenzen von anderen überschreitet, gehört dazu. Je eindeutiger ihr diese Kategorie definiert habt, desto klarer könnt ihr das auch transportieren. Bei manchen Babys genügt ein einmaliges Zeichen. Bei einigen Kindern ist da mehr Wiederholung nötig, das ist auch eine Frage des Temperaments. Auf die Konsequenz kommt es an. Wenn die Botschaft immer eindeutig und damit vorhersehbar ist, können Kinder das schneller einordnen und müssen nicht mehr so oft danach „fragen“. Verwendet am besten ein sprachliches Signal, dass sonst in unserer Alltagssprache nicht so oft vorkommt, wie z.B. „Stop“. „Nein“ ist so häufig, dass es in unterschiedlichen Zusammenhängen auftritt und der Name des Kindes sollte lieber mit etwas freudigem verbunden werden. Grün: alles wo gerade nichts dagegen spricht. Also gibt es keinen Konflikt. Vielleicht hat das Kind eine Idee, die euch noch nicht eingefallen war. Aber wieso solltet ihr euch nicht inspirieren lassen? Gelb: ihr ahnt es, das ist vielleicht der spannendste Bereich! Hier wird verhandelt. Vielleicht ist der Wunsch des Babys nach einer Banane grundsätzlich zu unterstützen, aber jetzt zur Mittagszeit soll es seinen Brei essen? Eigentlich ist das Handy tabu, aber ihr seid froh, dass euer Einjähriges im Kinderwagen sitzen bleibt ohne zu protestieren, während ihr einen neuen Reisepass beantragt? Auch wenn es konzentriert auf dem Bildschirm wischt und euch möglicherweise mit neu angelegten Kontakten überrascht. Das nehmt ihr gerade in Kauf. Nur was ist später zu Hause? Dann möchte euer Kind sicher auch gern noch einmal das Handy ausprobieren! Da kommt es zum Konflikt. Die vorherige Ausnahme ist für ein Baby schwierig einzuordnen. Oder weckt erst Recht den Forschergeist: Was kann ich tun, damit mir das Handy doch noch ausgehändigt wird? Um diese Konflikte zu vermeiden, empfehle ich euch zunächst, die gelbe Kategorie möglichst klein zu halten. Legt lieber im Vorhinein fest, ob ihr etwas rot oder grün einordnet und bleibt dabei. Lasst Ausnahmen wirklich Ausnahmen bleiben. Ihr könntet die Banane mittags zum Beispiel im Schrank verschwinden lassen und so einem möglichen Konflikt aus dem Weg gehen. Falls ihr vor dem Süßigkeiten-Regal Auseinandersetzungen befürchtet, geht konsequent vorbei oder macht einen Bogen darum. Bei älteren Kindern kann es auch gut funktionieren, Ausnahmen eindeutig anzusagen, zu begründen und dann auch richtig zu genießen. Beim nächsten Mal solltet ihr dann aber wieder konsequent sein. Dieses Muster kann man allerdings mit intermittierender Verstärkung gleichsetzen. Das ist die wirkungsvollste Form der Konditionierung. Das heißt, dass ihr damit wahrscheinlich ein Verhalten fördert, das besonders stabil ist. Überlegt euch also gut, wann und wofür ihr das einsetzt. In allen Fällen, ist es einfach wieder wichtig, dass ihr transportiert: Ich entscheide! Mit Bestimmtheit und Sicherheit transportiert ihr, dass ihr Bescheid wisst und euch euer Kind vertrauen kann!
von Josefine von Boetticher 23 Okt., 2022
Diese Woche ist unter uns ein neuer Nachbar eingezogen – oder eigentlich renoviert er nur. Vor diesem Tag hatte ich mich schon eine Weile gesorgt. Denn unser Haus ist sehr hellhörig, wir hören von anderen jede Musik, teilweise Unterhaltungen, Staubsaugen, Schritte, Möbel rücken, Haushaltsgeräte… Ich hatte tatsächlich überlegt, den Nachbarn direkt aufzufordern mit mir zu sprechen, wenn wir zu laut sind. Vielleicht hätte man bestimmte Geräusche zu bestimmten Zeiten herausfinden und reduzieren können. Dazu kam ich gar nicht mehr. Schon gestern kam er hoch, um sich zu beschweren, dass unsere Kinder abends um sechs, sieben durch die Wohnung „gerannt!“ wären und wohl hin und her. Er hat uns in einem sehr ungünstigen Moment erwischt. Wir waren gerade kurz vor Abfahrt zum Bahnhof, von wo aus mein Mann allein mit den Kindern nach Bayern reisen wollte. Alle Kinder eigentlich sehr aufgeregt, standen mit großen Augen an der Wohnungstür und versuchten – jedes mit seinen Möglichkeiten – sich einen Reim auf die sich entwickelnde Situation zu machen. Mein Mann jedenfalls hatte dafür gar keinen Nerv und reagierte direkt abweisend. Ich versuchte zu vermitteln und habe mich sofort sehr schlecht gefühlt. Auf dem Weg zum Bahnhof gab es dann noch eine kleine Argumentation zwischen meinem Mann und mir. Er fand, wir haben überhaupt nichts falsch gemacht und ich ärgerte mich, dass die Situation so unschön abgelaufen war, dass wir jetzt ein Problem haben. Den ganzen Rest des Tages hat mich das so belastet und beschäftigt! Und immer mehr fühlte ich mich schlecht, weil ich die letzten Minuten vor Abfahrt des Zuges mit meiner Familie nicht genießen konnte. Ich meine Kinder nicht aufgefangen habe, sie beruhigt, dass sie nichts falsch gemacht haben. Nicht Schuld sind! Dadurch habe ich ihnen doch indirekt bestätigt, dass ein Fremder das Recht hat über ihr Verhalten zu urteilen, obwohl dieses vollkommen normal ist! Heute früh dachte ich, jemand sollte einen Artikel darüber schreiben: unsere Gesellschaft ist krank! Immer wieder nehme ich diese Ungerechtigkeit Kindern und Eltern mit Kindern gegenüber wahr: wenn Kinder stören, ist ihr Verhalten falsch. Die Verhaltensnorm richtet sich nur nach Bedürfnissen von Erwachsenen (ohne Kinder). Der neue Nachbar fühlte sich vollkommen im Recht uns auf unser Fehlverhalten hinzuweisen. Und das wahrscheinlich noch nicht einmal in böser Absicht. Die Argumente wieviel Geld er jetzt in diese Wohnung investiert hätte und dass er eine ruhige Wohnung braucht, um kreativ arbeiten zu können, sollten dieses Recht untermauern. Er geht aber ganz selbstverständlich davon aus, dass seine Bedürfnisse wichtiger sind, als die meiner Kinder in ihrem zu Hause ganz normal zu leben, sich sicher und geborgen zu fühlen. Ich schäme mich, dass ich es nicht geschafft habe, meine Kinder zu schützen und ihnen zu versichern, dass sie richtig sind. Denn das sind sie! Meine Kinder sind nicht laut, sie sind nicht wild, sie sind großartig. Ich möchte, dass sie Rücksichtnahme lernen. Dass sie aufeinander schauen, aber auch auf andere, dass sie empathisch sind und üben die Perspektive ihres Gegenübers einnehmen… Und ich bin sehr stolz auf sie, wie gut sie das schon machen. Aber das passiert ständig. Wenn sie auf dem Gehweg beim Springen über die Ritzen zwischen den Steinplatten den Gegenverkehr gar nicht bemerken, schütteln die Erwachsenen mindestens den Kopf, ermahnen die Kinder gern aber auch direkt Rücksicht zu nehmen – unabhängig davon, wer eigentlich auf der „richtigen“ Seite läuft. Wenn mein jüngerer Sohn mit dem Einkaufswagen leicht gegen ein Supermarktregal stößt, weil er kaum drüberschauen kann, wird er sofort ermahnt, auch von anderen Kunden, die gar keinen Auftrag haben, den Supermarkt zu überwachen. Dabei will er mir nur helfen. Wenn wir mit den Kindern ins Restaurant gehen, kommt es vor, dass Leute argwöhnisch beobachten welchen Tisch wir ansteuern und sich weiter wegsetzen, sobald wir uns entschieden haben. Meine Kinder sind unfassbar süß und ich finde sehr gut sozialisiert. Sie kennen Supermarkt- und Restaurantbesuche seit sie klein sind. Mir ist schon immer daran gelegen, dass sie nicht stören. Und sie machen ihre Sache wirklich gut. In unserer Gesellschaft gibt es aber überhaupt kein Verständnis dafür, was Kinder können können. Und es fehlt die Akzeptanz, dass Kinder vollkommen normal sind und zum Leben dazu gehören, so wie sie sind. Ihre Bedürfnisse sind genauso wichtig, wie die von allen anderen Menschen. Es sind nicht die Kinder, die sich anpassen müssen, es ist die Gesellschaft. Und ich? Ich bin gefangen zwischen dem Wunsch, nicht aufzufallen und Wut. Ich möchte mich nicht schämen, weil ich Kinder dabei habe. Ich möchte mich aber auch nicht ständig streiten, zumal vor den Kindern. Ich fühle die Verletzung immer noch, die ich als Kind empfand, wenn ich etwas „falsch“ gemacht hatte, die Hilflosigkeit. Es war ja keine Absicht gewesen! Ziemlich genauso geht es mir jetzt auch. Mein größter Fehler wäre es, auf meine Kinder sauer zu sein, weil ich ihretwegen Ärger und Stress bekomme. Meine Güte – wie verrückt – könnte mir das passieren? Welchen Beitrag kann ich leisten, um etwas zu verändern? Wir Eltern sollten aufhören da mitzuspielen! Die Gesellschaft muss lernen Kinder als Menschen mit den gleichen Rechten wahrzunehmen, am besten sogar als Bereicherung. In so einer Millionenstadt wie Berlin können wir nur alle zufrieden wohnen, wenn wir aufeinander Rücksicht nehmen. Das sollte keine Einbahnstraße sein. Mal sehen, wie der Nachbar das aufnimmt… Wir fliegen nächste Woche nach Kreta. Darauf freue ich mich besonders, weil ich dann aufatmen kann. Dort sind meine Kinder willkommen, egal wie viele. Und mehr noch, fremde Leute freuen sich an ihnen! Meine Kinder werden von Fremden angelächelt und das irritiert sie oft so sehr, dass sie gar nicht wissen, wie sie reagieren sollen. Am Flughafen werden sie an der ewig langen Schlange am Abfertigungsschalter zu high-fives aufgefordert, oder sich auf die Kofferwage zu setzen. Im Supermarkt, als meine große Tochter vor einem Regal mit bunten Ostertüten auf dem Boden hockte, bekam sie von der Verkäuferin einen Schokoriegel geschenkt, statt der von mir befürchteten Ermahnung, den Gang zu räumen. Meine jüngste Tochter geht mit ihren 4 Jahren noch offen auf Fremde zu und versucht Freundschaft zu schließen, selbst mit dem neuen Nachbarn. Wie schön wäre es, wenn sie sich das bewahren könnte. Aber ihre Geschwister haben schon gelernt, dass diese Versuche selten willkommen sind und sie längst eingestellt.
von Josefine von Boetticher 05 Okt., 2022
Meine Tochter wollte sich heute früh schon wieder eine neue Zahnbürste nehmen. Zahnbürsten findet sie einfach schön! Ihre ist aber noch tiptop und ganz frisch. Sie braucht wirklich keine neue, ist ja auch schlecht für die Umwelt. Und wenn das jetzt alle 2 Tage so geht… Plötzlich als Eltern seid ihr in der komplett neuen Position ständig Entscheidungen für eine andere Person treffen zu müssen. Und diese Peron ist euch so unendlich kostbar, dass ihr euch keine Fehler erlauben könnt. Ich glaube, das ist tatsächlich die allerschwierigste Aufgabe am Elternsein! Aber genau das ist eure Aufgabe! Braucht mein Kind eine Mütze? Muss ich jetzt mit dem Baby zum Arzt? Erst Stillen oder erst die Windel? Nase putzen oder einfach laufen lassen? Tragen oder Wagen? Darf mein Kind auf der Straße mit Steinen schmeißen? Das sind Entscheidungen, die Kinder nicht allein treffen können, oder nicht in eurem Sinne treffen würden? Vielleicht haben sie durchaus eine klare Meinung, aber welche setzt sich durch? Wenn ihr morgens aufsteht, habt ihr bis zum Frühstück vielleicht schon 5 bis 10 dieser kleinen fiesen Konflikte lösen müssen. Und im Sekundentakt geht es durch den Tag. Ihr seid Hochleistungsentscheider*innen. Das ist jetzt euer Job. Ihr könnt ihn nur annehmen und durchziehen. Haltet euch möglichst kurz mit jeder Entscheidung auf. Wenn ihr überlegt, ob Mütze nötig ist, ist es wahrscheinlich egal. Wenn es eindeutig wäre, müsstet ihr gar nicht nachdenken. Entscheidet einfach und weiter geht’s! Ihr seid Hochleistungsentscheider*innen und werdet jeden Tag routinierter. Denn ihr kennt euer Kind am besten. Und ganz wichtig: ihr kenn eure eigenen Bedürfnisse am besten. Denn die dürft ihr durchaus auch berücksichtigen. Braucht ihr die Sicherheit eines Arztbesuches? Hält dein schmerzender Rücken nicht noch eine Runde mit der Trage aus? Ihr entscheidet! Ihr habt die Kompetenz dazu, glaubt an euch! Und ihr habt auch absolut das Recht dazu Entscheidungen zu treffen. Denn bei den meisten Entscheidungen ist es das wichtigste, dass sie überhaupt getroffen werden. Fliegt der nächste Stein Richtung geparktes Auto? Haltet ihr für unwahrscheinlich? Das ist mir tatsächlich passiert! Zu meiner Verteidigung. Ich hatte keine Erfahrung damit, wie gut 14 Monate alte Kinder zielen können (nämlich überhaupt nicht) oder wie weit sie werfen (doch erstaunlich weit!). Und am meisten überrascht hat mich, wie wenig sie sich selbst der Konsequenzen bewusst sind oder diese einkalkulieren – einfach ganz und gar nicht! Wenn meine Tochter demnächst die Zahnbürste ihres Bruders am schönsten findet, oder meine?! Dabei würde sich sie keine Gedanken über die Gefahr des Austauschs von Kariesbakterien machen. Leider mein Job. Auch die Enttäuschung meiner Tochter auszuhalten ist mein Job. Die Konsequenzen abzuwägen ist eben einzig und allein euer Job. Und auch zu der Entscheidung zu stehen. Selbst wenn ihr mal unsicher seid, ob das jetzt „richtig“ war. Hauptsache ihr präsentiert euren Kindern gegenüber Stärke, auf die sie sich verlassen können. Und ihr könnt es ja bei nächsten Mal noch besser entscheiden… Jetzt erst mal fangt an und entscheidet aktiv, ganz bewusst und entschlossen! Entscheidungskompetenz macht Eindruck auf eure Kinder. So lieben sie ihre Eltern: Mein Papa weiß wo es lang geht! Das gibt Sicherheit.
von Josefine von Boetticher 05 Okt., 2022
Babys bauen im 3. Lebensquartal einen ersten kleinen passiven Wortschatz auf. Sie verstehen also ein paar wenige Worte, die häufig in ihrem Alltag vorkommen. So könnt ihr vielleicht beobachten, dass sie zu ihrer Wasserflasche schauen, wenn ihr fragt, ob sie etwas trinken wollen. Im 4. Quartal könnte dann das erste aktive Wort zu hören sein. Manche Kinder beginnen schon mit 9, viele mit 10 Monaten mit dem aktiven Sprachgebrauch. Das bedeutet, sie haben eine Verknüpfung zwischen einer Äußerung und der Bedeutung (Gegenstand oder Handlung) geschaffen und nutzen dieses Wissen zur Kommunikation, indem sie die Äußerung selbst sprechen. Und das mit der Absicht, euch auf etwas aufmerksam zu machen. Das ist also eine wirklich komplexe kognitive Leistung: sie wissen, dass ihr versteht, was sie meinen, wenn sie es sagen und verfolgen damit die Absicht, eine bestimmte Reaktion bei euch auszulösen! Dabei sind immer Themen besonders spannend, die im Alltag häufig vorkommen, die ihren Interessen entsprechen (z.B. Ball, Auto) oder die Beziehungen beschreiben (Mama, Papa). Sie verknüpfen Worte mit Bedeutung, die sie häufig hören und persönlich wichtig finden. Mit dem Sprung der Kategorien sind die Kinder in der Lage, ihr Denken so zu strukturieren, dass sie Informationen zu einem Thema zusammentragen, abspeichern und abrufen können. So erhält die Kategorie Hund z.B. bald Informationen zu Größe, Form, Bewegungen, Fellfarbe aber auch Lauten von Hunden und natürlich dem Wort Hund, wenn es den Begriff bereits ein paar Mal gehört hat. Diese Sturkturierung des Denkens ist eine wichtige Voraussetzung für den Spracherwerb. Spannend ist aber auch, dass die Kinder damit z.B. den Hund auch auf einem Bild im Bilderbuch, einem Foto und als Kuscheltier oder Schleichtier wiedererkennen können. Deshalb macht es vielen Kindern großen Spaß Bücher mit einfachen Abbildungen anzuschauen. Wenn ihr Dinge benennt, dazu vielleicht noch Geräusche oder Bewegungen macht, wird es besonders spannend - und informativ für die Kategorien. Bald finden sie auch Augen und Nasen bei Abbildungen im Buch, Puppen oder Kuscheltieren wieder. Die Äußerungen der Kinder klingen oft ganz anders, als unsere tatsächlichen Worte. Die saubere Aussprache ist dabei aber absolut unwichtig. Das Wort trinken klang bei meinen Kindern sehr verschieden: titi, ninne, kingkom, titte. Wenn das Kind es schafft, durch seine Äußerung zu sagen, was es denkt – also seine eigenen Gedanken an euch zu übermitteln – dann ist das ein revolutionäres Erlebnis! Das bedeutet, dass von nun an Sprache ein Mittel der Kommunikation zwischen euch sein kann. Es sehr wichtig, dass ihr darauf vorbereitet seid und damit rechnet, dass die Laute eures Kindes eine Bedeutung haben. Es wäre schade, wenn ihr in dem Moment die ersten aktiven Sprachversuche eures Kindes nicht bemerkt und nicht beantwortet. Dann lernt es, dass Sprache in eurer Kommunikation keine Rolle spielt. Bislang hat es sich ja auch ohne Sprache verständigt. Es hat viele andere Möglichkeiten, auf sich aufmerksam zu machen und wird das Sprechen vielleicht erst einmal wieder sein lassen. Je mehr ihr aber auf sprachliche Äußerungen eingeht, desto spannender wird es für das Kind, sich damit auseinanderzusetzen. Interpretiert deshalb alle Äußerungen großzügig. Wenn ihr das Gefühl habt, dass ein bestimmter Klang in einer Situation immer wieder verwendet wird, bedeutet er vielleicht etwas. Wiederholt Äußerungen, damit das Kind den Klang aus eurem Mund hört. Fragt zurück, wenn ihr eine Idee habt, was gemeint sein kann. Fühlt euch angesprochen und reagiert freudig, wenn Mama oder Papa erklingt! Oft ist bei Worten die aus Silbenverdopplungen entstehen, der Übergang zum aktiven Wort fließend. Durch eure Reaktion, verknüpft das Kind Bedeutung. Diese muss nicht unserer entsprechen. Mama kann z.B. generell „Führsorgegefühl“ bedeuten und Papa und Essen gleich noch mit einschließen. Kinder lernen immer im sozialen Kontext, ohne gemeinsamen Gesprächsgegenstand, kann ein Wort nicht zugeordnet und verstanden werden. Wenn Eltern miteinander z.B. eine andere Sprache sprechen, als mit dem Kind, lernt es diese nicht, solange es in das Gespräch nicht einbezogen ist. Es gibt viele Spiele, die ihr sehr schön sprachlich unterstützen könnt, z.B. Geben-Nehmen, Kuckuck, auf-zu oder rein-raus. Diese Spiele mit wiederkehrenden Rhythmen passen sehr gut zum Sprung der Abfolgen, den die Kinder mit ca. 10 Monaten absolvieren. Zunächst sind erste aktive Sprachversuche oft auf ein Wort beschränkt. Vielleicht verschwindet dieses sogar wieder und wird von etwas anderem abgelöst, was gerade in den Vordergrund des Interesses gerückt ist. Mit dem ersten Geburtstag sprechen aber manche Kinder schon ein paar wenige Worte, oder beginnen dann so langsam damit.  Ein ordentlicher Schub in der aktiven Sprache ist bei den meisten Kindern mit ca 1,5 Jahren zu beobachten. Da werden viele Worte nachgesprochen, neu gelernt und spontan angewandt. Der passive Wortschatz wird dann auch noch einmal enorm erweitert und die Kleinen verstehen wirklich erstaunlich viel. Erkundet die Sprachwelt euer Kinder jeden Tag aufs Neue - das macht riesigen Spaß!
von Josefine von Boetticher 25 Sept., 2022
Meine Oma hat uns früher beim Kuchenteig auslecken immer einen Strich durch die Mitte der Teigschüssel gezogen. Akkurat so, dass jede von uns eine genaue Hälfte der Teigreste von der Schüsselwand wischen konnte. Stückchen Schokolade wurden genau in der Mitte mit dem Messer geteilt. So sollten wir uns versichert fühlen, dass wir gleich viel geliebt werden? Habt ihr dieses Denkmuster übernommen? Aber bekommen Kinder so diese Sicherheit? Ich erinnere mich vorherrschend, meine Schwester permanent verdächtigt zu haben, vielleicht doch mehr zu bekommen. Hat sie Teig von meiner Seite der Schüssel geklaut? War nicht von meinem Stück Schokolade ein Krümelchen abgebrochen, das sie sich eben in den Mund gesteckt hat? Wir machen das mit unseren Kindern ein klein wenig anders. Wir versuchen den Grundsatz zu vermittel: Jeder bekommt, was er braucht. Nicht alle brauchen dasselbe. Meine Jüngste mag gar keine Schokolade… Aber mal ehrlich: Menschen sind unterschiedlich. Kinder sind so unterschiedlich! Sie haben alle unterschiedliche Bedürfnisse, Talente und Eigenheiten. Und es ist meine harte Aufgabe genau diese herauszufinden und zu unterstützen. Mein großer Sohn brauchte konstante Ermutigung beim Klettern doch ruhig noch eine Stufe zu probieren. Aber meine große Tochter musste ich bremsen, während ich sie kaum noch erreichen konnte. Oft wollen Kinder genau das, was ihre Geschwister haben. Das ist hart. Auch für euch, dem Gequengel standzuhalten. Aber ist es nicht auch eine wichtige Erfahrung zu spüren, dass dieses Gefühl des Neids vorbeigeht? Vielleicht entsteht daraus sogar ein kreativer Prozess und die Kinder entwickeln neue oder sogar gemeinsame Ideen. Unsere Kinder haben wahrscheinlich eh von allem genug. Und sicher mehr als sie brauchen. Lasst euch nicht in Vergleiche verstricken. Wenn ihr euch daran messen lasst, immer „gerecht“ zu sein, könnt ihr nur verlieren! Wenn ihr eurem Kind aber sagt, dass es bekommt, was es braucht, fühlt es sich gesehen und wertgeschätzt. Ich wünsche mir, dass meine Kinder sich als etwas Besonderes wahrgenommen fühlen. Eben nicht alle gleich. Trotzdem besonders beim Teig auslecken, sind meine Kinder sehr argwöhnisch. Wir üben an der nächsten Lektion: anderen etwas gönnen!
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